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Übersetzung (Ðóññêèé)

Elektrotechnik und Informationtechnik - 1998.-115, N6. - c 321-326

ENTLADESTROMMETHODE - EIN PRÜFVERFAHREN FÜR KUNSTSTOFFISOLIERTE MITTELSPANNUNGSKABEL

Kurze Version

M. Muhr ÖVE, R. Strobl ÖVE, R. Woschits (Institut für Hochspannungstechnik mit Versuchsanstalt (IVH) )

Der vermehrte Einsatz von Kunststoffkabeln in der Energietechnik verlangt die Entwicklung neuer Verfahren für die Kabelprüftechnik. Dabei geht die Entwicklung weg von Spannungsprüfverfahren, die nur eine Ja-Nein-Aussage (Prüfung bestanden bzw. Prüfung nicht bestanden) zulassen, hin zu diagnostischen Meßverfahren. Am Institut für Hochspannungstechnik mit Versuchsanstalt (IVH) der Technischen Universität Graz wird ein neues Meßverfahren der dielektrischen Diagnostik, die Entladestrommethode, entwickelt. Dieses Verfahren dient zur Beurteilung des Isolationszustands von kunststoffisolierten Mittelspannungskabeln und wird in einem Langzeitversuch getestet.

Schlüsselwörter: Kabelprüfung; Diagnoseverfahren; Entladestrommethode; Kunststoffkabel

Discharge current method: A test method for plastic-insulated medium high voltage cables. In consideration of the increasing application of plastic-insulated cables in power engineering the development of new methods in the field of cable testing becomes necessary. Nowadays voltage test methods (breakdown yes/no?) will be continuously substituted by diagnostic test methods. The discharge current method is one of these new diagnostic test methods and has been developed by the Institute of High Voltage Engineering of the Technical University of Graz.

Keywords: cable test methods; diagnostic test methods; discharge current method; plastic-insulated cable

Einleitung

Auf Grund der einfachen Montage, des geringen Gewichts, der leichten Handhabung, der einfachen Garnituren und der Wartungsfreiheit, aber auch aus ökologischen Gesichtspunkten werden heute immer mehr Papier-Masse-Kabel durch kunststoffisolierte Kabel bis in die höchsten Spannungsebenen ersetzt. Kunststoffe wie Polyethylen (FE) und vernetztes Polyethylen (VPE) besitzen eine hohe elektrische Festigkeit und sind deshalb hervorragend als Isolierstoffe für Hochspannungskabel geeignet.

Ein hochwertiges Kunststoffkabel tritt seinen Dienst mit einer großen Reserve an elektrischer Durchschlagsfestigkeit an. Eine Reserve, die jedoch im Laufe des Betriebs mehr oder weniger ausgeprägt verbraucht wird. In diesem Zusammenhang spricht man von der Alterung des Kunststoffkabels, Diese elektrische Alterung eines Isoliersystems beruht auf mehreren Prozessen, wie water-treeing, electrical-treeing. Ablösung von Leitschichten usw. und erstreckt sich auf die gesamte Einsatzzeit des Kunststoffkabels [8], Kommt es zu einem Absinken der elektrischen Festigkeit bis in den Bereich der betrieblichen Überspannungen, so ist mit Isolationsdurchschlägen zu rechnen.

Prüfungen zur Beurteilung des Isolationszusrands von Hochspannungskabeln werden einerseits beim Produktionsprozeß(Qualitätsüberwachung) und andererseits vor Ort (Inbetriebnahmeprüfung, Abnahmeprüfung, Beurteilung des Alterungszustands) durchgeführt. Die jahrzehntelange Prüftechnik und Prüferfahrung bei Öl-Papier-Kabeln und Papier-Masse-Kabeln kann auf Kunststoffkabel nur teilweise übertragen werden. Vor allem die reine Gleichspannungsprüfung, die bei Papier-Masse-Kabeln sehr erfolgreich eingesetzt wird, hat bei der Übernahme auf kunststoffisolierte Kabel in dieser Form keine Aussagekraft. Einerseits können mit Hilfe der Gleichspannungsprüfung gravierende Fehlstellen nicht detektiert werden und andererseits kann es während der Prüfung zum Aufbau langlebiger Raumladüngen im Dielektrikum kommen. Diese Raumladungen stellen örtliche Gebiete erhöhter Feldstärke dar und begünstigen nach Anlegen der netzfrequenten Spannung die Ausbildung von electrical-trees. Dadurch ist das Kabeldielektrikum irreversibel geschädigt und ein Durchschlag nur noch eine Frage der Zeit. Diese Tatsachen haben sich bei einigen Gleichspannungsprüfungen an kunststoffisolierten Kabeln bestätigt [2].

Ausgehend von dieser Erkenntnis ist es notwendig, neue« Prüfmethoden für kunststoffisölierte Kabel zu entwickeln. Dabei geht die Entwicklung weg von Spannungsprüfverfahren, die nur eine Ja-Nein-Aussage (Prüfung bestanden bzw. Prüfung nicht bestanden) zulassen, hin zu diagnostischen Meßverfahren.

Unter diagnostischen Methoden für kunststoffisolierte Mittelspannungskabel sind solche Methoden zu verstehen, die durch Messung bestimmter Eigenschaften eines verlegten Kabels eine Aussage über dessen Alterungszustand ermöglichen. Die Problematik liegt darin, geeignete Meßgrößen zu finden, die auf die Veränderung der dielektrischen Eigenschaften, verursacht durch Wasser-bäumchen (water-trees), reagieren und diese erfassen [4]. Die Alterung eines polymerisolierten Kabels mußals Summe aller Veränderungen der elektrischen, physikalischen, chemischen, mechanischen und morphologischen Eigenschaften der Isolierung unter den Betriebsbedingungen gesehen werden [3]. Weiters hängt der Alterungsprozeßauch von äußeren Faktoren wie z.B. Überspannungen ab. Bei der Diagnose von kunststoffisolierten Mittelspannungskabeln kann davon ausgegangen werden, daßdie Prüfung eine Aussage über Ausmaßund Art der Schädigung (Alterung) liefert.

Eines dieser neuen Diagnoseverfahren ist die Entladestrommethode, die am Institut für Hochspannungstechnik mit Versuchsanstalt (IVH) an der Technischen Universität Graz entwickelt wird. Dieses Verfahren ermöglicht eine Beurteilung des Isolationszustands und gibt aufschlußreiche Informationen über den Qualitätszustand von kunststoffisolierten Mittelspannungskabeln wieder [1, 2], mit diesem Meßverfahren soll dem Anwender der Kabeltechnologie eine einfache Methode zur Überprüfung der Kabelqualität zur Verfügung gestellt werden.

Verfahren zur Alterungsbestimmung von kunststoffisolierten Kabeln

Abb. 1 zeigt eine grobe Einteilung der Prüfverfahren, die zur Messung der Isolationseigenschaften von kunststoffisolierten Kabeln herangezogen werden können.

Bei den Spannungsprüfverfahren spielt im wesentlichen die Restfestigkeit des Dielektrikums die entscheidende Rolle. Wird diese Restfestigkeit durch eine angelegte Prüffeldstärke überschritten, ist der elektrische Durchschlag unabdingbar.

Abb. 1. Prüfverfahren zur Feststellung des Alterungszustandes von kunststoffisolierten Kabeln

Eine Möglichkeit, diesen zerstörenden Einfluß von Spannungsprüfverfahren zu beseitigen, besteht darin. eine moderne diagnostische Meßtechnik zur Kabelprüfung einzusetzen. Derartige Meßverfahren nutzen die Leitungs- und Polarisationsmechanismen im Isolierstoffaus, um auf diese Weise aussagekräftige Indikatoren zur Abschätzung des Alterungszustands eines Kunststoffkabels zu erhalten.

Man will also von einer 1-bit-Entscheidung (Durchschlag: ja/nein) und dem damit möglichen Ausfall der Kabelanlage abkommen und im Zuge des Aufbaus einer sogenannten dielektrischen Diagnostik ein Expertensystem entwickeln. Dieses Expertensystem soll durch die Erfassung verschiedener Parameter den Alterungszustand des Kabels bestimmen und davon eine Abschätzung der Restlebensdauer ableiten.

In Abb. 2 wird ein Überblick über die Prüfverfahren für kunststoffisolierte Kabel gegeben. Die derzeit bekannten Meßverfahren der dielektrischen Diagnostik, an denen intensiv geforscht wird, lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Dabei handelt es sich um Meßverfahren im Zeitbereich und im Frequenzbereich, auf welche hier im einzelnen nicht näher eingegangen werden soll.

Abb. 2. Überblick der Prüfverfahren für kunststoffisolierte Kabel

Schrifttum

  1. Muhr, M, StrobL R.. Woschitz, R.: Discharge current method for aged-insulated medium-vohage cables. 5th Höfler's Days of High Voltage Technique, Portoroz, 1996.
  2. Muhr, M, Woschitz, R.: Emiadestrommethode zur Untersuchung des Alterungsverhaltens bei Kunststoffkabeln, Tagungsbeitrag 40. IWK Ilmenau, September 1995.
  3. Beigert, M.: Mikrodielektrometrische zerstörungsfreie Alterungsdiagnostik von PE- und VPE-isolierten Mittelspannungskabeln. Dissertation, Gesamthochschule Wuppertal, 1995.
  4. Heizmann, T.: Ein Verfahren zur Bestimmung des Alterungszustands von verlegten polymerisolierten Mittelspannungskabeln. Dissertation, ETH-Zürich, 1994.
  5. Mathis, H.-J.: Alterungsdiagnose an Kunststoffmittel-spannungskabeln mittels Verlustfaktormessung bei 0,1 Hz. Tagungsbericht, Technische Akademie Esslingen, Nov. 1995
  6. Patsch, R., Romero, R: Verlustfaktormessungen bei unterschiedlichen Frequenzen als Diagnoseverfanren water tree geschädigter Isolierungen. Tagungsbeitrag 40. IWK, Ilmenau, September 1995.
  7. Porzel, R., Sturm, M.: Einsatz Dielektrischer Diagnose-verfahren bei der Untersuchung labor- und betriebsgeal-teter Hochspannungsisolierungen. Tagungsbeitrag 40. IWK, Ilmenau. September 1995.
  8. Biasiutti. G.: Vorortprüfung von Kunststoffenergiekabeln mittels Gleichspannung. Bulletin SEV/VSE 78 (1987) 23, S. 1431 bis 1437.

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