Ôðàãìåíò êíèãè Riefenstahl, U: Elektrische Antriebstechnik. B.G. Teubner Stuttgart Leipzig, 2000.

Aufgaben, Funktionsgruppen und Kenngrößen elektrischer Antriebssysteme

Die elektrischen Antriebe haben die industrielle Entwicklung in den letzten hundert Jahren entscheidend mitgeprägt. Sie bilden heute die  Nahtstelle zwischen der elektri­schen Energietechnik und der Automatisierungstechnik. Elektrische Antriebe sind Be­standteil vieler Maschinen und Anlagen. Sie bestimmen in vielfältiger Weise deren Kosten, den Wirkungsgrad der Energiewandlung sowie die  Fertigungsqualität der Er­zeugnisse.

In den zurückliegenden Jahrhunderten waren die Arbeitsmaschinen  i.a. an den Standort der Energieerzeugungsanlagen (Wasser- und Windkraftanlagen, Dampfmaschinen usw.) gebunden. Erst mit der Verfügbarkeit von leistungsfähigen elektrischen Maschi­nen als Generatoren und Motoren sowie einer sicheren Energieübertragung zwischen dem Kraftwerk und dem elektrischen Antrieb als Verbraucher ist es etwa seit Ende des vorigen Jahrhunderts möglich, größere Fabrikanlagen wirtschaftlich zu betreiben. Da­mit war die Voraussetzung für eine tiefgreifende Umgestaltung aller Produktionspro­zesse geschaffen, die in ihrem Gefolge die erste technische Revolution ausgelöst hat. Der anfangs vorherrschende zentrale Ein-Motorenantrieb, gekoppelt mit einem umfang­reichen mechanischen Drehmomenten-Verteilungssystem, ist inzwischen durch dezen­trale Mehrmotoren-Antriebssysteme ersetzt worden. Moderne Maschinen und Anlagen enthalten heute eine Vielzahl von einzeln angetriebenen Antriebsachsen bei einer ge­genüber älteren Anlagen deutlich reduzierten Übertragungsmechanik.

Ein weiterer bedeutender Schritt: in der Entwicklung der Elektroantriebstechnik war die Bereitstellung von leistungsfähigen elektronischen Stellgliedern mit einer angepaßten Steuer- und Regeleinrichtung. Die außerordentlichen Fortschritte der Leistungs- und Mikroelektronik sowie der Informationstechnik in den letzten Jahren haben auch die elektrischen Antriebe und ihre Eigenschaften in einem starken Maße beeinflußt. Aus dem einfachen klassischen Antrieb, bestehend aus dem Motor, der Übertragungsmechanik und der Schaltanlage, wurde so ein komplexes Antriebssystem, das neben den Elementen des Energieflusses auch Funktionsgruppen für die Meßwerterfassung, die Steuerung, Regelung und Informationsverarbeitung sowie für die Bedienung und Prozeßkommunikation enthält. Die modernen Antriebssysteme ermöglichen heute eine genaue, schnelle und nahezu verlustfreie Drehzahl- und Drehmomentensteuerung im Motor und in der Arbeitsmaschine. Diese Entwicklung führte inzwischen zu einem „intelligenten Antriebssystem", das sich selbst überwachen und sein dynamisches Verhalten zum Teil selbst optimieren kann. Die elektrischen Antriebssysteme stellen damit eine wichtige Voraussetzung für viele moderne Fertigungsverfahren und Prozesse dar.

 

Aufgaben eines elektrischen Antriebssystems

 

Ein elektrischer Antrieb hat im wesentlichen zwei Hauptaufgaben zu erfüllen. Sie sind:

1. die elektromechanische Energiewandlung mit einem möglichst hohen Wirkungsgrad und

2. die Umsetzung von Informationen in mechanische Bewegungsvorgänge, d. h. die Realisierung von Bewegungsvorgängen entsprechend den vorgegebenen Sollwertverläufen bei hohen statischen und dynamischen Genauigkeitsanforderungen.

Das Fachgebiet der elektrischen Antriebe ist damit sowohl Teil der elektrischen Energietechnik als auch der Automatisierungstechnik.

In den hochentwickelten Industrieländern wird mit elektrischen Antrieben gegenwärtig bereits mehr als 60 % der erzeugten elektrischen Energie in mechanische Energieformen umgesetzt. Die elektrischen Antriebe bestimmen damit als Energiewandler entscheidend den Wirkungsgrad vieler Maschinen und Anlagen, die Wirtschaftlichkeit der Fertigungsverfahren und die Qualität der Erzeugnisse. Zugleich dienen sie häufig auch als intelligente Stellglieder für die Steuerung der Bewegungsvorgänge in automatisierten Prozessen. Sie schaffen so erst die Voraussetzung für viele moderne rechnerintegrierte Produktionsverfahren.

Typische Anwendungsgebiete der elektrischen Antriebe sind die Realisierung von Bewegungsvorgängen u.a. für:

·        Stellvorgänge, z.B. für Ventile, Schieber usw.,

·        Bearbeitungsprozesse, z.B. beim Drehen, Fräsen, Scheren, Sägen usw.,

·        Positioniervorgänge und Lageregelungen, z.B. in Robotern, Manipulatoren, Werkzeugmaschinen usw.,

 

Optimierung mehrschleifiger Regelkreise der Elektroantriebstechnik

 

Die Regelung elektrischer Antriebe erfordert i.a. die gleichzeitige Führung und Begrenzung mehrerer Regelgrößen, wie z.B. Anker-, Erreger- und Ständerstrom, Erregerfeld, Motor- oder Beschleunigungsmoment, Drehzahl und Drehwirikel der Motorwelle oder der Arbeitsmaschine, Gleichlauf mehrerer verketteter Antriebsachsen usw.. Die Regelstrecke enthält meist mehrere große Zeitkonstanten und Störgrößeneinwirkungen, die von der Regeleinrichtung zu kompensieren sind. Für diese Aufgabe werden in der Elektroantriebstechnik die Kaskadenregelung und die Zustandsregelungen eingesetzt.

Kaskadenregelung

Wenn sich die Regelstrecke in eine Kette rückwirkungsfreier einfacher Übertragungsglieder mit einer meßbaren Ausgangsgröße aufspalten läßt, dann hat sich in der Praxis eine Kaskadenregelung mit einem oder mehreren unterlagerten Regelkreisen als besonders günstig erwiesen. Die einzelnen Regelkreise enthalten dann eine Regelstrecke mit nur einer dominierenden großen Zeitkonstanten und einer Störgröße, die ein PI-Regler relativ einfach kompensieren kann.

Das Bild 6.25 zeigt das Prinzip der Kaskadenregelung am Beispiel der Drehzahlregelung einer Gleichstrom- Nebenschlußmaschine mit unterlagerter Ankerstromregelung.

Bild 6.25

'Drehzahlregelkreis einer Gleichstrom-Nebenschlußmaschine mit unterlagertem Ankerstromregelkreis, Grw Drehzahlregler, Gri Ankerstromregler, Gsi lstrecke des Ankerstromregelkreises, igr Grenzwert des Ankerstromes, FRL Regelstrecke des Drehzahlregelkreises

Bei den bisherigen Überlegungen wurde davon ausgegangen, daß der vollständige Systemzustand x für den Reglervektor aus den verfügbaren Meßgrößen bereitstellt. Häufig trifft dies jedoch nicht zu. Hier hilft ein Beobachter nach Luenberger weiter. Er kann aus den meßbaren Eingangs- und Ausgangsgrößen u und y der Regelstrecke ihren Systemzustand x rekonstruieren, vgl. Bild 6.31.

 

Bild 6.31 Prinzip der Zustandsregelung mit einem Luenberger-Beobachter

 

Der Zeilenvektor hT führt als Beobachterregler den Zustand x^ des Beobachters so dem Zustand x der Regelstrecke nach, daß er anstelle von x für die Zustandsregelung verwendet werden kann. Die Koeffizienten des Beobachterreglers hT lassen sich wieder durch Polvorgabe oder nach der Methode der Doppelverhältnisse festgelegen.