Funktionsweise eines Fehlerstromschutzschalters

Patrick Wagner


Источник: Patrick Wagner, www.patrickwagner.de.
http://www.patrickwagner.de/Knowhow/FehlerstromSchutzschalter.html



         Wer ein neues Haus oder eine neue Wohnung bzw. eine nicht allzu alte Immobilie bezieht, findet in seinem Strom-Sicherungskasten einen FI-Schutzschalter, der im einfachesten Fall Bad und WC, besser aber sämtliche Stromkreise im ganzen Haus absichert.

         Ich habe lange gebraucht, bis ich die Funktionsweise des Fehlerstrom-Schutzschalters kapiert habe. Vor allem aber bekam ich zunächst großes Misstrauen in die korrekte Funktionsweise meines FI-Schutzschalters, als ich dessen Auslösung bewirkte ohne dass auf der betroffenen Leitung überhaupt Spannung anlag (Sicherung ausgeschaltet).

         Inzwischen habe ich in die FI-Schutzeinrichtung großes Vertrauen gewonnen, aber im Wesentlichen dadurch, dass ich seine Funktionsweise und Eigenschaften verstanden habe. In den folgenden Kapiteln fasse ich mein Verständnis des FI-Schutzschalters in einfachen Worten zusammen. Elektriker und Elektrotechniker mögen mir an die Gurgel springen, weil ich nicht alles fachmännisch erkläre/ausdrücke. Aber mir geht es nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung sondern um das Verständnis einer wichtigen Einrichtung in einfache Worte gefasst; dazu dient mir immer wieder ein Wassermodell zur besseren Veranschaulichung.

         Ich gebe selbstverständlich keine Garantie für die 100%ige Richtigkeit sämtlicher Angaben auf dieser Seite und übernehme auch keine Verantwortung für Unfälle, die sich aus Experimenten mit Strom und Elektrizität ergeben.

Vom Elektrizitätswerk zur Wohnung

         Strom wird bekanntlich in zahlreichen großen Elektrizitätswerken und in vielen kleinen Kraftwerken erzeugt, von dort aus in das europäische Strom-Verbundnetz eingespeist und von dort aus in die einzelnen Haushalte und Firmen verteilt. Transportiert wird der Strom über Hochspannungsleitungen, die Spannungen zwischen 120 Kilo-Volt und 380 kV haben. In Deutschland wird vorwiegend das 230/400 kV-Netz verwendet. Der Strom wird also in den Kraftwerken auf eine Hochspannung transformiert um kurz vor der Einspeisung in die Häuser und Wohnungen wieder herunter transformiert zu werden.

         Warum leiten die E-Werke den Strom nicht gleich in der richtigen Spannung von den Kraftwerken in die Haushalte? Der Grund liegt in den Leitungsverlusten: legt der Strom eine Strecke von 100 km zurück, gehen 2-5% der elektrischen Energie verloren, bleiben also quasi auf der Strecke. Diese Leitungstransportverluste lassen sich minimieren, indem der Strom auf eine hohe Spannung transformiert wird. In Umspannwerken und kleinen Transformator-Stationen wird der Hochspannungsstrom schließlich wieder herunter transformiert, bis er als die uns bekannten 230 V Wechselspannung in unsere Häuser gelangt.

         Ein Hausanschluss besteht typischerweise aus 4 Leitungen, den drei Phasen L1, L2 und L3 sowie dem Nullleiter N (auch Neutralleiter genannt). Die drei Leiter L1, L2 und L3 kann man quasi als Stromquellen bezeichnen, während der Nullleiter eine Art Abfluss darstellt.



         Im Prinzip würden zwei Leiter reichen, eine Phase L1 und ein Neutralleiter N. Was es mit den drei Phasen auf sich hat (Stichwort Starkstrom) ist nicht Gegenstand dieser Seite. Ich beschränke die weiteren Erläuterungen auf eine Phase und den Nullleiter.

         Im Keller oder vor dem Haus befindet sich der Elektroanschluss. Ein Stromzähler zählt den Strom, der von den drei Phasen L1, L2, L3 kommt, durch die Verbraucher im Haus durchfließt und über den Nullleiter zurückfließt. Eine Hauptsicherung schützt die gesamte Elektroinstallation des Hauses. Was bedeutet schützen? Strom erzeugt bekanntlich Wärme (siehe Glühbirne); je stärker der Strom ist, der durch ein Kabel fließt, desto mehr Wärme wird erzeugt. Wird der Strom extrem stark, beginnen Leiter zu glühen (siehe Glühbirne), entstehen Lichtbögen (siehe Schweißer) oder schmoren Kabel durch. Der Hauptsicherungsautomat im Keller eines Gebäudes schützt die gesamte Elektro-Installation vor zu hohen Strömen und somit vor Kabelbränden etc.

         Nachdem der Strom den Hauptzähler und die Hauptsicherung durchlaufen hat, gelangen die drei Stromphasen in den Sicherungskasten, wo die drei "Zuleitungen" L1, L2, L3 gleichmäßig auf die einzelnen Räume und Verbraucher aufgeteilt werden. Einzelne Sicherungsautomaten sichern die einzelnen Stromkreise in einem Haus gegen höhere Stromstärken als typischerweise 15 Ampere ab.

         Im Folgenden spreche ich nur noch von einer Phase L1 und dem Nulleiter N. Über die Phase L1 kommt also der Strom (bildlich gesprochen) und über den Neutralleiter fließt er zurück. Wer jedoch schon einmal in eine Steckdose geblickt hat oder eine Lampe angeschlossen hat, weiß, dass es außer der schwarzen Phase L1 und dem blauen Nullleiter N noch ein drittes gelbes oder grünes Kabel gibt. Es handelt sich hierbei um den Schutzleiter, auch Erdleiter oder Erdung genannt. Es handelt sich hierbei um eine Art zusätzlichen Rückleiter, also quasi einen Abfluss des Stromes in die Erde. Ob dieser "Abfluss" direkt in die Erde geht oder über einen Leiter durchs Stromnetz zurückfließt spielt für seine Verwendung keine Rolle. Wozu dieser Leiter genau dient erläutern die folgenden Kapitel.

Stromkreislauf als Wassermodell

         Die drei Phasen L1, L2 und L3 haben gegenüber der Erde ein unterschiedliches Potential, es liegt also Spannung an. Der Nullleiter dagegen hat Erdpotential. Schließt man nun eine Phase L mit dem Nullleiter enweder direkt oder über einen Verbraucher zusammen, so findet ein Potentialausgleich statt, es fließt Strom. Selbiges passiert, wenn man eine Phase mit dem Schutzleiter verbindet. Diese Vorgänge möchte ich im Folgenden anhand eines einfachen Wassermodelles erläutern. Wasser kann man sich besser vorstellen als Elektronen und Potentialunterschiede.

         Nehmen wir eine kleine Gebirgslandschaft an, ein See oben am Berg und einer unten im Tal. Ein Wasserwerk (Elektrizitätswerk) pumpt Wasser vom Tal nach oben, dazu braucht es zum Beispiel Kohle. Das Wasser im unteren See hat Erdpotential, ruht sich quasi auf der Erde aus. Das Wasser im oberen See hat ein höheres Potential und würde gerne nach unten fließen, wenn es könnte.



         Auf halber Höhe befindet sich unser Haus. Eine Leitung L1 führt direkt vom oberen See in unser Haus zu einem Wasserhahn. Der Leiter entspricht in der Elektrizität der Phase L1 und der Wasserhahn der Steckdose. Dreht man den Wasserhahn auf fließt bekanntlich Wasser, da es vom höher gelegenen See kommt und somit einen starken Druck hat. Aber wohin fließt das Wasser? Natürlich wird das Wasser über ein Abwasserrohr N abgeleitet und fließt zurück in den unteren See. Unser Wasser könnte aber genauso gut einfach im Garten verspritzt werden; dann fließt es ebenfalls zurück in den unteren See, aber eben durch oder auf der Erde zurück. Diese Art natürlicher Abfluss entspricht beim Stromkreislauf dem Schutzleiter oder Erdleiter PE.

         Fassen wir zusammen: Wasser, das von einem Wasserwerk in einen hoch gelegenen Wasserspeicher gepumpt wurde, steht über die Zuleitung L1 dem Verbraucher zur Verfügung. Beim Öffnen eines Wasserhahnes fließt das Wasser über die Abwasserleitung N zurück nach unten zur Erde. Ist die Abwasserleitung N aus irgendeinem Grunde defekt, verstopft oder gar nicht vorhanden, fließt das Wasser über die Erde PE zurück nach unten.

         Im Falle des Stromkreislaufes erzeugt das Elektrizitätswerk eine Spannung, die über die Phase L1 dem Verbraucher zur Verfügung steht. Beim Anschalten eines Verbrauchers (Lampe) fließt Strom vom Leiter L1 über den Neutralleiter N zurück zur Erde bzw. zum E-Werk. Ist der Nullleiter nicht vorhanden oder defekt, so fließt der Strom über den Schutzleiter PE ab in die Erde.

Wann brennt eine Lampe?

         Ich habe oben geschrieben, dass auf der schwarzen Phase L Spannung anliegt, die quasi nur darauf wartet, dass sie sich irgendwie entladen kann. Berührt man als Mensch diesen Leiter, so findert der Strom einen Weg durch den Körper hindurch in die Erde; der Stromkreis schließt sich, der Mensch bekommt einen Stromschlag (siehe rote Linie im Bild).

         Aber eigentlich war ja nicht der Mensch dazu gedacht, den Stromfluss von der Phase L abzuleiten, sondern der blaue Nullleiter.



         Schließt man die Phase L mit dem Nullleiter N zusammen (kleine rote Linie im Bild), so fließt Strom. Der Strom findet jedoch keinen Widerstand bis auf die vernachlässigbaren Kabel und wird somit sehr groß. Man spricht dann von einem klassischen Kurzschluss. Er würde sogar so groß, dass die Leitungen durchschmoren oder gar zum Brennen anfangen, wäre da nicht der Sicherungsautomat im Sicherungskasten, der die Stromstärke begrenzt bzw. den Stromfluss ab einer bestimmten Stromstärke (z.B. 15 A) abschaltet.

         Anders sieht die Sache aus, wenn man zwischen schwarzen und blauen Leiter einen Verbraucher, zum Beispiel eine Glühbirne, hängt. Der Strom stößt auf Widerstand und fließt kontinuierlich; die Lampe leuchtet (siehe Lampe im Dachgeschoss unseres kleinen Hauses). Aber nicht nur die Lampe im Dachgeschoss leuchtet in unserem Haus sondern auch die untere Lampe. Bei dieser Lampe fließt der Strom von der schwarzen Phase L durch die Lampe hindurch über den grünen Erdleiter zurück. Auf diese Art sollte man selbstverständlich niemals einen Verbraucher anschließen.

         Wie kann man sich das gerade Gesagte im Wassermodell vorstellen? Zuerst zum klassischen Kurzschluss: Wenn das Zuflussrohr direkt mit dem Abflussrohr verbunden wird, also weder ein Ventil noch ein Hahn dazwischen ist oder das Zuflussrohr platzt (Rohrbruch), dann wird der Wasserstrom sehr groß und der ganze obere See läuft aus. Da hilft nur irgendein Absperrventil (Sicherung). Im Normalfall fließt Wasser vom Wasserhahn in den Abfluss (vergleiche Lampe im Dachgeschoss) oder im ungünstigeren Fall vom Wasserhahn auf den Flußboden und von dort zurück auf die Erde (vergleiche Lampe im unteren Geschoss).

FI-Schutzschalter

         Im vorigen Unterkapitel haben wir gesehen, dass im Normalfall Strom vom schwarzen Leiter aus durch die Lampe hindurch über den blauen Leiter zurückfließt. Ein Abfließen des Stromes über den grünen Schutzleiter ist zwar auch möglich aber unerwünscht. Ein Abfließen des Stromes durch eine Person, die aus Versehen mit dem schwarzen Leiter in Berührung kommt, ist nicht nur unerwünscht sondern lebensgefährlich.



         Um einen unerwünschten Stromabfluss über einen Erdleiter oder eine menschliche Person zu vermeiden wird ein Fehlerstrom-Schutzschalter in den Sicherungskasten eingebaut. Der FI-Schutzschalter sitzt vor dem bislang bekannten Sicherungsautomaten. Im Minimalfall sichert der FI-Schutzschalter Bad und WC ab, aber im Idealfall laufen sämtliche Stromleitungen eines Hauses durch den FI-Schalter, so dass eine umfassende Sicherheit aufgebaut wird.

         Wie funktioniert ein Fehlerstrom-Schutzschalter? Man kann sich so einen FI-Schutzschalter als einfaches Element bestehend aus zwei Stromzählern vorstellen: Ein Zähler misst, wie viel Strom durch den schwarzen Leiter ins Haus reinfließt, und ein zweiter Zähler misst, wie viel Strom durch den blauen Leiter wieder zurückfließt. Im Normalfall messen die beiden Zähler die gleichen Mengen. Berührt jedoch eine Person die schwarze Phase, so fließt Strom über den Körper zur Erde ab. Der FI-Schutzschalter misst sofort eine Differenz zwischen Zufluss und Abfluss (es fließt also irgendwo ein "Fehlerstrom" ab) und schaltet den Stromkreislauf ab. Selbiges passiert, wenn über den grünen Erdleiter Strom am blauen Leiter vorbei zurück in die Erde fließt.

         Kann man also bei vorhandenem FI-Schutzschalter bedenkenlos in die Steckdose langen oder die Phase an einem freien Stromkabel berühren? Nein! Einen Stromschlag bekommt man dennoch, denn es fließt erst einmal Strom bis der FI-Schalter den Stromkreis unterbricht. Dieser Strom ist im Normalfall, falls der FI-Schutzschalter für Stromdifferenzen von 10-30 mA ausgelegt ist, zwar nicht tödlich, aber alleine der Schlag und der Schreck können zu Verletzungen führen.