"Das Bergbau Handbuch" Verlag Gluckauf GmbH Essen 1995 (s. 9-10)
Bewertung der Grubenbaue und der Betriebsausstattung unter Tage
Im Bergbau wurden seit Jahrzehnten fur die wesentlichen Teile des Sachanlagevermogens, insbesondere fur Streckennetze und sonstige Grubenbaue sowie fur die Betriebsausstattung unter Tage, teilweise aber auch fur die Betriebsausstattung uber Tage sowie Gleisanlagen, Festwerte gebildet. Das Wesen eines Festwerts besteht darin, dass der Bilanzansatz uber mehrere aufeinanderfolgende Jahre unverandert beibehalten werden kann. Das Verfahren unterstellt, dass sich bei den in einem Festwert zusammengefassten Wirtschaftsgutern im Zeitablauf Zugange einerseits und Abgange sowie planmassige Abschreibungen andererseits in etwa ausgleichen.
Gegen die Anwendung des Festwertverfahrens bei den Grubenbauen und der Betriebsausstattung unter Tage im Steinkohlenbergbau meldete die Finanzverwaltung im Jahre 1990 schwerwiegende Bedenken an. Es wurde bezweifelt, ob die bislang angewendeten Festwertregeln mit den handelsrechtlichen Grundsatzen ordnungsmassiger Buchfuhrung im Einklang stehen. Das Bundesfinanzministerium verwies unter anderem auf § 240 Abs. 3 HGB, der die Zulassigkeit eines Festwertansatzes von der Voraussetzung abhangig macht, dass sein „Gesamtwert fur das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist". Ungeachtet fruherer Zugestandnisse wurde in Frage
gestellt, ob dieses gesetzliche Erfordernis fur die in den Bilanzen der Bergwerksgesellschaften ausgewiesenen Festwerte erfullt sei. Zudem wurde bemangelt, dass der Festwert „Grubeninventar" auch Wirtschaftsguter von hohem Wert umfasst, fur die nach allgemeinen handels- und steuerrechtlichen Bewertungsprinzipien Einzelaktivierungen geboten seien.
Die Bergwerksgesellschaften haben der Finanzverwaltung im Fruhjahr 1992 ein Positionspapier zur kunftigen Bewertung des untertagigen Anlagevermogenszugeleitet. Die in diesem Papier entwickelten Vorschlage sind darauf gerichtet, die langjahrig praktizierten Festwertverfahren uberwiegend durch Einzelaktivierungen abzulosen. Dabei beruhen die zur Grubenbaubewertung angestrebten Anderungen auf einem Gutachten der Wirtschaftsprufungsgesellschaft TREUARBEIT Aktiengesellschaft.
Das vom Steinkohlenbergbau vorgelegte Bewertungskonzept orientiert sich zum einen an den Vorgaben des Bundesfinanzministeriums und basiert zum anderen auf der Erwagung, dass die bislang praktizierten Festwertregeln zu kontinuierlichen Zuaktivierungen fuhren und notwendige Teilwertabschreibungen betrachtlich erschweren.
Die Unternehmen des Steinkohlenbergbaus haben mit Wirkung ab 1. Januar 1993 das untertagige Sachanlagevermogen entsprechend dem Positionspapier wie folgt bewertet:
Grubenbaue
Die bisher im Festwert zusammengefassten Grubenbaue werden als ein einheitliches Wirtschaftsgut je Schachtanlage (Bewertungseinheit) behandelt.
Bei Errichtung neuer Schachtanlagen sind die Herstellungskosten der Grubenbaue bis zum Erreichen der Forderkapazitat (sog. Erstausstattung) zu aktivieren.
Aufwendungen fur raumliche Erweiterungen des Grubengebaudes sind laufender, sofort abzugsfahiger Erhaltungsaufwand, soweit das Auffahren neuer Strecken der Aufrechterhaltung der Forderkapazitat dient. Lediglich im Falle von Kapazitatserweiterungen oder grundlegenden Anderungen des Abbauverfahrens und des Forderbetriebs („Neustrukturierungen") werden die betreffenden Kosten als nachtraglicher Herstellungsaufwand aktiviert. Demgegenuber sind bei nachhaltigen Herabsetzungen der Forderkapazitat ausserplanmassige Abschreibungen/ Teilwertabschreibungen (§§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB, 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) vorzunehmen.
Ausgangswert fur die Einzelbewertung bei bestehenden Bergwerken ist der zum 31. Dezember 1992 nochmals zu ermittelnde Festwert, der bei Unternehmen, die mehrere Bergwerke unterhalten, auf die einzelnen Schachtanlagen nach Massgabe ihrer Kapazitaten zu verteilen ist.
Ab 1993 werden die Einzelwerte nach § 7 Abs. 1 und 6 EStG planmassig uber die voraussichtliche Lebensdauer der jeweiligen Schachtanlage abgeschrieben.
Betriebsausstattung unter Tage
Die bislang in einem unternehmenseinheitlichen Festwert erfassten untertagigen Betriebsmittel werden weitgehend in die Einzelbewertung uberfuhrt. Dies gilt auch fur sogenannte langenabhangige Wirtschaftsguter, wie zum Beispiel Rohrleitungen, Gestange, Kabel sowie Bandanlagen, die in Anlehnung an die kunftige Bewertung der Grubenbaue zu technischen Bewertungseinheiten zusammengefasst werden.
Der Restbereich der untertagigen Betriebsmittel, deren Einzelerfassung und -verfolgbarkeit entweder uberhaupt nicht oder nur mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten zu bewaltigen ware, wird weiterhin in Festwerten zusammengefasst. Dabei erfolgt eine Aufteilung in jeweils eigenstandige, homogene Festwertgruppen. Den einzelnen Bergwerksgesellschaften steht es - entsprechend ihren individuellen organisatorischen Moglichkeiten - allerdings frei, festwertfahige Wirtschaftsguter wahlweise einzeln zu bewerten.
Zur Fixierung der Absetzungen fur Abnutzung der ab 1. Januar 1993 einzeln zu aktivierenden Gegenstande und zur Festsetzung der Wertigkeitssatze fur die verbliebenen Festwerte werden bergbaueinheit lich betriebsgewohnliche Nutzungsdauern festgelegt. Die Wertigkeiten sind anhand der steuerlich zulassigen linearen oder degressiven Abschreibungsmethode gemass § 7 EStG zu ermitteln. Erhohte Absetzungen oder Sonderabschreibungen durfen dagegen nicht berucksichtigt werden.
Fur die Auflosung des letztmals zum 31. Dezember 1992 anzusetzenden Gesamtfestwerts fur die untertagigen Betriebsmittel gelten besondere Ubergangsregelungen.