Der Ölpreis-Anstieg – Profiteur: Kohle – Kohlebergbau
VOLL AUF KOKS
Von FOCUS-MONEY-Redakteur Peter Bloed
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Bereits im Januar hatte US-Prësident George W. Bush angekündigt, sein Land unabhëngiger vom Nahost-Öl zu machen. Er setzt auf Atomkraft, erneuerbare Ener-gien und – Kohle. Seit der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zeigte, dass selbst die Gasversorgung politischen Risiken unterliegt, erinnern sich nun auch die europëischen Industrielënder an die Vorteile des fossilen Brennstoffs – den fast alle von ihnen selbst besitzen.
Das Schwarze Gold ist noch 250 Jahre verfügbar, im Gegensatz zu Öl und Gas, die Mitte dieses Jahrhunderts zur Neige gehen. Zudem ist Kohle auf dem Globus recht ausgewogen verteilt, die Abhëngigkeit von Krisenregionen sinkt.
Hoher Anteil. 38 Prozent des Stroms werden weltweit aus Kohle erzeugt. Wenn sich die Stromproduktion bis 2030 von 17,5 auf rund 32 Millionen Gigawatt fast verdoppelt, wird der Kohle-Anteil nach Schëtzung der Internationalen Energie-Agentur mindestens konstant bleiben. Die USA decken gar die Hëlfte ihrer Stromversorgung über Kohlekraftwerke, China bis zu 70 Prozent. Europa setzte zuletzt meist auf Gaskraftwerke, die höhere Wirkungsgrade erzielen und weniger Kohlendioxid (CO2) ausstossen. Nun ëndert sich das Bild: Vorige Woche beschlossen die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden den Neubau eines 900 Millionen Euro teuren Kohlekraftwerks. Vorstand Ralf Schodlok begründet dies mit dem Anstieg der Gaspreise. Dagegen sei Kohle wëhrend der vergangenen Jahrzehnte eher stabil geblieben. In Duisburg, Lünen und Herne baut die Steag, eine Kraftwerkstochter der früheren Ruhrkohle AG, heute RAG, für 2,5 Milliarden Euro neue Meiler.
Moderne Kohlekraftwerke sind dank höherer Wirkungsgrade erheblich sauberer als früher. Vattenfall errichtet in Brandenburg bereits ein kohlendioxid-freies Braunkohlekraftwerk: Zunëchst sorgt ein höherer Sauerstoffgehalt für eine bessere Verbrennung, dann wird das Treibhausgas abgefangen und unterirdisch eingelagert. Im Labor laufen Versuche, das Kohlendioxid mit Hilfe von Wasser und gebranntem Kalk in künst-lichen Kalkstein umzuwandeln – und nebenbei Wasserstoff zu erzeugen.
Wenig Handel. Die Nachfrage nach Kohle wird also steigen. Doch den Grossteil der Produktion setzen die Förderlënder selbst zur Stromerzeugung ein, allen voran China und die USA (siehe Grafik rechts). In China übersteigt der Bedarf mittlerweile die Fördermenge, auch Indien dürfte bald als Këufer auftreten. So kamen 2004 von 4,2 Milliarden Tonnen, die weltweit gefördert wurden, nur 16 Prozent in den internationalen Handel. „Diese 16 Prozent bewegen den Weltmarktpreis“, erklërt Franz-Josef Wodopia, Hauptgeschëftsführer des Gesamtverbands des deutschen Steinkohlebergbaus (GVSt).
Der mit Abstand grösste Kohle-Exporteur ist Australien, gefolgt von Russland, Indonesien, Südafrika und Kolumbien. Der Markt ist in der Hand weniger Konzerne, im Branchenslang bereits „Kohle-Opec“ genannt. Darunter sind die Minengiganten BHP Billiton, Xstrata oder Rio Tinto, für die Kohle nur einen Bruchteil des Geschëfts ausmacht. Zu den „echten“ Kohlewerten gehören die US-Konzerne Drummond und Peabody.
Kohle-Monopoly. Die Konzentration setzt sich fort. Seit Jahren jagt eine Übernahme die andere – vor allem in Australien. Erst Anfang Juli gab Peabody den Kauf der australischen Excel Coal für 1,4 Milliarden Dollar bekannt. Excel wird seine Förderung bis 2008 von zuletzt 5,6 auf 20 Millionen Tonnen fast vervierfachen.
Australien profitiert wie kein anderes Land von Chinas Rohstoffhunger. „Schon heute landet der Grossteil der australischen Kohle in der Asien-Pazifik-Region“, sagt Wodopia. Bauen die USA die Kohleverstromung und -verflüssigung aus, werden auch sie einen immensen Hunger nach Kohle entwickeln. „Das könnte einen ëhnlichen Staubsaugereffekt auslösen wie der Nachfragesog aus China“, gibt der GVSt-Geschëftsführer zu bedenken. Die Weltmacht wird ihren Bedarf wohl in Südamerika decken. Auch Südafrika verbrennt immer mehr Kohle in eigenen Kraftwerken. Die Folge: Der Exportmarkt wird mittelfristig kleiner.
Für Deutschland wëchst damit das Preisrisiko: Zwar verfeuern deutsche Braunkohlekraftwerke ausschlieÄlich ein-heimische Kohle. Doch das liegt daran, dass sich deren Transport wegen des niedrigen Heizwerts nicht lohnt. Dagegen werden zwei Drittel der Steinkohle importiert. Die RAG-Tochter Deutsche Steinkohle AG (DSK) förderte 2005 nur noch 26 Millionen Tonnen, dieses Jahr werden es 23 Millionen Tonnen sein.
Reiches Deutschland. Zwar verfügt Deutschland über sechs Prozent
der weltweiten Kohlereserven und die mit Abstand grössten Vorkommen in Europa. Doch der Abbau ist teuer: Die Kohleschichten (Flöze) liegen oft über tausend Meter tief und verlaufen nicht gleichmëssig. Mitunter weisen sie Brüche von mehreren hundert Metern auf, was das Bohren immer neuer Stollen erfordert. Deutsche Bergwerkstechnik ist weltweit begehrt, da nun auch Australien und die USA, die Steinkohle bisher im Tagebau gewannen, in grössere Tiefen vorstossen. Das Gleiche gilt für China.
Damit deutsche Steinkohle überhaupt wettbewerbsfëhig ist, gewëhrt der Staat Subventionen. „Wir legen für jede Tonne hundert Euro drauf“, kritisiert Reiner Priggen von der NRW-Landtagsfraktion der Bündnisgrünen. Wie viel der Abbau genau kostet, verraten weder Unternehmen noch Verband. Experten taxieren die Gestehungskosten auf etwa 130 Euro je Tonne. Das sind derzeit 160 Dollar – mehr als das Doppelte des Weltmarktpreises.
1997 lëutete die Regierung Kohl den Ausstieg aus der Kohle ein. Seitdem sanken die Kohlehilfen von fünf auf 2,9 Milliarden Euro im Jahr. Zehn Bergwerke wurden stillgelegt, die Fördermenge fiel von 50 auf 23 Millionen Tonnen, die Zahl der Beschëftigten um 50000 auf 35000.
Grosse Nachfrage. Doch jetzt steigen die Preise – vor allem für Kokskohle (s. Grafik S. 13). Angeheizt vom Stahlboom, hat sich ihr Preis seit 2000 mehr als verdoppelt. Für eine Tonne Stahl sind 600 Kilo Koks nötig. Im Mërz 2006 zahlten deutsche Stahlwerke fast 118 Euro je Tonne. Hinzu kommen 18 Dollar Transportkosten. Damit liegt der Bezugspreis plötzlich auf dem Niveau der deutschen Kohle.
Prompt stellte die DSK 2005 den Antrag für ein neues Koksbergwerk nördlich von Hamm, ausgelegt auf 2500 Mitarbeiter und drei Millionen Tonnen jëhrlich. „Wir wëren in der Lage, für einen Zeitraum von 30 Jahren Koks deutlich unter dem prognostizierten Weltmarktpreis zu produzieren“, sagt DSK-Chef Bernd Tönjes. Dass der noch mal stark fallen könnte, glaubt er nicht. Die Branche beobachte „weltweit Nachfragesprünge, die einen Rückfall auf alte Preisniveaus ausschliessen“.
Dass sich auch Steinkohle bald wieder rechnen könnte, glauben selbst Branchenvertreter nicht. Die Kohle-Industrie verweist aber auf die Gefahr einer Verknappung. Wachse die Nachfrage weiter, könnten die Kapazitëten der Exportlënder „2008 ausgelastet sein“, warnt ein Kohle-Importeur. Doch einmal geschlossene und mit Beton verfüllte Zechen können dann nicht einfach wiedereröffnet werden. „Da wëre eine Neuerschliessung die günstigere Lösung“, sagt Wodopia.
Förder-Debatten. Angesichts weltweiter Energie- und Rohstoffkrisen seien die Kohlehilfen ein Beitrag zur Standortsicherung, sagt RAG-Chef Werner Müller. Der frühere Wirtschaftsminister registriert ein Umdenken: „Die Bedeutung unseres einzigen Bodenschatzes erkennen Politik und Wirtschaft immer mehr.“ Es sei auch ein Fehler gewesen, die Verflüssigung von Kohle zu Kraftstoffen aufzugeben. Die Technik wurde in den 20er-Jahren in Deutschland entwickelt und im Zweiten Weltkrieg unter Hitler in grossem Stil genutzt. Vor zwei Jahren wurde die letzte Anlage nach China verkauft. Jetzt wollen Chinesen und Amerikaner Kraftstoff aus Kohle forcieren. Marktführer in der so genannten „Coal To Liquid“-Technologie (CTL) ist der südafrikanische Chemiekonzern Sasol.
Dennoch sind die Kohle und die mit ihr verbundenen Haftungsrisiken für Bergbauschëden für Müller der grösste Hemmschuh beim geplanten Börsengang. 2007 will er die RAG aufs Parkett bringen – unter neuem Namen und ohne die Kohlesparte. Wëhrend Energie (Steag), Chemie (Degussa) und die Immobilien Börsenphantasie entfachen, möchte Müller den Kohlebergbau samt Haftungsrisiken in eine staatliche Stiftung überführen.
Biogas – Echte Alternative
Die steigenden Preise und die endlichen Ressourcen fossiler Brennstoffe treiben auch die Nachfrage nach erneuerbaren Energien. Ganz heisses Thema: Biogas. Veredelt hat es genau die gleichen Eigenschaften wie Erdgas. Es kann gespeichert und sowohl in Strom als auch in Wërme umgewandelt werden. Daher ist Biogas für immer mehr Stromkonzerne ein wichtiges Thema. Treibende Kraft in dem Segment: die deutsche Schmack Biogas (ISIN: DE000SSBGS137).
Das Unternehmen hat in der vergangenen Woche einen Vertrag mit E.on geschlossen. Schmack baut im oberbayerischen Pliening eine Biogasanlage mit einer Einspeisekapazitët von 40 Megawattstunden und beliefert damit zwei E.on-Kraftwerke. BLO
Solaraktien – Warum steigen sie nicht?
Die Korrelation war eindeutig: Stieg der Ölpreis, legten auch die Kurse der Solaraktien zu. Dieses Mal ist es anders: Wëhrend sich US-Konkurrenten zumindest hielten, stürzten die deutschen Solaraktien mit dem Gesamtmarkt ab. „Es gibt Hinweise darauf, dass das Nachfragewachstum in Deutschland abflacht“, erklërt Patrick Hummel, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg.
Das sei erwartet worden. Zudem hëtten die führenden deutschen Anbieter den Export deutlich ausgebaut. Hummel hëlt den Ausverkauf deshalb für übertrieben: „Darin liegt auch eine Chance, denn Werte wie Solarworld oder Q-Cells sind jetzt für 2007er-KGVs um die 20 zu haben.“ Hersteller von Silizium, Wafern und Zellen seien gegenüber Modulproduzenten zu bevorzugen.
Peabody – Sichere Bank
Mit einer Produktion von 220 Millionen Tonnen Kohle im Jahr fördert der US-Marktführer rund doppelt so viel wie der nëchstgrössere Konkurrent, Arch Coal. „Peabody ist der Wert für Investoren, die für Kohle eher vorsichtig gestimmt sind“, schreiben die Analysten von Goldman Sachs. Trotz des Schwerpunkts auf den USA sind die Förderstëtten weltweit gut diversifiziert, und natürlich ist Peabody auch in Australien prësent. Dort überraschte das Unternehmen Anfang Juni mit dem Kauf von Excel Coal, einem der grössten Produzenten down under. Den vereinbarten Kaufpreis von 1,83 Milliarden australischen Dollar, umgerechnet 1,4 Milliarden US-Dollar, halten Experten angesichts der Wachstumsplëne von Excel für überraschend günstig.
Acht von 17 Analysten setzen die Aktie auf „Halten“, sieben raten zum Kauf. Die sind zudem überaus optimistisch: Die Kursziele reichen bis umgerechnet 66 Euro. Selbst die 51,50 Euro der Credit Suisse bedeuten ein Kurspotenzial von mehr als 30 Prozent.
Sasol – Diesel aus Kohle
Die Produktpalette der Südafrikaner, einer der grössten börsennotierten Konzerne Afrikas, reicht von Chemikalien über Gase bis zur Raffinerietechnik. Das derzeit spannendste Geschëftsfeld von Sasol und Wachstumsmotor Nummer eins ist die „Coal To Liquid“-Technologie (CTL) – die Verflüssigung von Kohle zu Diesel und anderen Kraftstoffen. Darüber hinaus macht Sasol auch aus Gas Kraftstoffe (GTL). Im vergangenen Jahr verarbeitete der Konzern 45 Millionen Tonnen Kohle – das Doppelte der deutschen Fördermenge.
Analysten sind von der Strategie begeistert. Sechs von neun empfehlen das Papier zum Kauf.
Joy Global – Werkzeugmacher
In den USA und Australien liess sich Steinkohle bisher komfortabel im Tagebau abbauen. „Die mussten nur den Mutterboden beiseite schieben“, witzelt ein deutscher Kohlemanager.
Nun ist ein Ende absehbar. Wie bereits die Chinesen müssen nun auch Amerikaner und Australier grössere Tiefen erschliessen. Das Rüstzeug dafür liefert die nicht börsennotierte Deutsche Bergbautechnik oder Konzerne wie Joy Global. Die Amerikaner haben für fast jede Art von Bergbau und Rohstoff die passenden Werkzeuge und Maschinen.
Trotz des jüngsten Kursrutsches liegt das Kursziel der Banc of America bei 49 Euro.
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